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Große Inszenierung

Dresden: Prozess gegen vier Antifaschisten beginnt am Mittwoch

Von Henning von Stoltzenberg

Die dieser Artikel wurde veröffentlicht in der Jungen Welt

Mit einer medialen Inszenierung, die ihresgleichen sucht, beginnt am Mittwoch der Prozess gegen Lina E. und drei weitere Antifaschisten vor dem Oberlandes­gericht Dresden. Ihnen wird vorgeworfen, in verschiedener Form an Angriffen auf Neonazis beteiligt gewesen zu sein. Lina E. wurde nach einer Hausdurchsuchung im November 2020 in Leipzig verhaftet und sitzt seitdem als Hauptangeklagte in Untersuchungshaft. Nachdem die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe das Verfahren an sich gezogen hat, wird wegen »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« nach Pragraph 129 StGB ermittelt. Dieser Paragraph erlaubt die komplette Durchleuchtung der Kontakte der Angeklagten und ihres sozialen Umfeldes. Nicht umsonst gilt er als Schnüffel- und Gesinnungsparagraph, der in den letzten Jahren mehrfach gegen verschiedene linke Gruppen zur Anwendung kam.

Die Repressionsbehörden haben seit der Festnahme weder Kosten noch Mühen gescheut, um vor allem Lina E. als gefährliche Rädelsführerin darzustellen, inklusive eines Helikopterfluges nach Karlsruhe, der sonst Schwerstkriminellen vorbehalten ist. In vielen Artikeln nicht nur der Boulevardpresse wurden die behördlichen Darstellungen und Einordnungen unkritisch übernommen.

Schon bald nach der Festnahme waren die Anwälte Björn Elberling und Erkan Zünbül an die Öffentlichkeit getreten und hatten scharf kritisiert, dass in strafbarer Weise Akteninhalte des Verfahrens an mehrere Zeitungen durchgestochen worden seien, die ihrerseits dann für die gewünschte Stimmung gesorgt hätten. Das Verfahren wird offensiv genutzt, um Antifaschismus als solchen zu diskreditieren. Das Schreckgespenst »gewaltbereiter Linksextremisten« wird wieder einmal aus dem Hut gezaubert, um das Vorgehen gegen Linke als notwendig erscheinen zu lassen.

Dabei dürfte es auch um die seit den 1990er Jahren gewachsenen linken Gruppen und Initiativen im Leipziger Stadtteil Connewitz gehen, auf die Polizei und Verfassungsschutz schon länger ein Auge geworfen haben. »Die Stigmatisierung von Connewitz ist nichts Besonderes, aber auffällig. Während in Connewitz über jede umgefallene Mülltonne berichtet wird, fehlen die Schlagzeilen, wenn nahezu täglich Geflüchtete von stadtbekannten Neonazis am Bahnhof der rund vierzig Kilometer entfernten Stadt Wurzen angegriffen werden«, erklärte die Sprecherin des Solidaritätsbündnisses »Antifa Ost« gegenüber jW. Erst vor kurzem fand eine Soli­party im öffentlichen Raum für Lina E. in Connewitz mit 300 Personen statt, über die in der üblichen Weise berichtet wurde. Neben der gezielten Hetze gebe es aber auch viele Stimmen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, die sich für Lina E. aussprechen: »Viele Menschen auch hier in der Region wissen, dass Lina nicht die Person ist, die von Zeitungen wie Bild und Welt skizziert wird. Viele Personen, mit denen wir sprechen, haben ein starkes Gerechtigkeitsempfinden und lehnen die Kriminalisierung der vier Antifaschisten ab. Denn Antifaschismus ist angesichts gewaltbereiter Neonazis und rechts unterwanderten Behörden für viele nachvollziehbar.«

Antifaschisten reagieren zum Beispiel mit der Kampagne »Wir sind alle Antifa – wir sind alle Linx«, die von verschiedenen Gruppen und der Roten Hilfe ins Leben gerufen wurde. Für den 18. September ist eine bundesweite Demonstration in Leipzig für die Freilassung von Lina E. und die Einstellung des Verfahrens geplant.